Als wir an Wunder glaubten: Roman
Nach dem zweiten Weltkrieg ist das Leben nicht leicht im Norden Deutschlands. Die Menschen müssten sich ihrer Schuld stellen. Lieber stecken sie jedoch den Kopf in den Sand. Edith Abel hat keine Hoffnung mehr, dass ihr Mann wieder zurückkehrt. Ihre Tochter Betty ist ein kluges Mädchen, die hin und wieder mal eine Suppe zur Guste bringt. Zwar ist Guste als Dorfhexe verschrieen, aber sie erzählt die schönsten Geschichten. Auch Annies Mann ist vermisst und mit ihrem Sohn Willi hat sie es nicht leicht, denn er ist etwas zurückgeblieben und spricht nicht. Und eines Tages kommt doch noch ein Kriegsheimkehrer ins Dorf.
Ein Dorf wie wahrscheinlich viele, Unnenmoor in Norddeutschland. Etlichen Frauen fehlt der Mann, der gleichzeitig ein Täter und auch ein Opfer war. Die wenigen, die daheim bleiben durften, haben sich mitunter noch mehr zuschulden kommen lassen. Wenn da einer mit überzeugenden Worten kommt, glaubt man gerne. Vielleicht auch an Moorgeister, Hexen und das Wort des Herrn. Doch was, wenn nicht mehr unterschieden wird zwischen dem was sein kann, was hilft und was dann doch ehr Unsinn ist. Edith und Annie waren lange befreundet. Betty und Willi kommen gut miteinander aus. Doch ein Möchtegern Prediger bringt Missgunst, Niedertracht und Streit.
Insbesondere zu Beginn besticht dieser Roman mit seinen Beschreibungen der Situation in der Nachkriegszeit. Verzweiflung und Armut, aber auch ein kleines Glück, eine stille Übereinstimmung zwischen Alt und Jung. Die Beschreibung des Daseins von Kriegsversehrten, die krank, gehandicapt oder auch mit Gedächtnisverlust zu kämpfen haben. Das beeindruckt und zeiht einen in die Handlung hinein. Wenn es aber später darum geht, dass sich Menschen gewissermaßen selbst den Kopf vernageln, dann kann man das manchmal nicht nachvollziehen. Zwar gibt es auch im wahren Leben Beispiele genug, dass Menschen Spökenkiekereien glauben, doch auch davor steht man etwas ratlos. Dennoch hinterlässt der Roman einen bleibenden Eindruck. Es wird untermauert, dass Krieg Folgen hat und dass Krieg wirklich nicht erstrebenswert ist.
Das Hörbuch wird klasse und schön mit norddeutschem Einschlag vorgetragen von Katja Danowski.
Es gibt viele Romane, die die unmittelbare Nachkriegszeit zum Thema haben. Helga Bürster gelingt es in ihrem Roman „Als wir an Wunder glaubten“ einen neuen Aspekt hinzuzufügen. Sie lässt die Handlung 1949 in Unnendorf spielen, einem fiktiven Ort in einer Moorgegend in Norddeutschland. Und entsprechend dieser Landschaft spielen Aberglaube und vermeintliche Wunderheilung eine zentrale Rolle. Deutlich wird die Naivität, mit der Menschen sich in der Krisensituation der Nachkriegszeit Opfer suchen, denen sie die Schuld an ihrer Krise zuschieben können. Ebenso deutlich wird die Rücksichtslosigkeit, mit der Menschen diese Naivität zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen.
Thematisiert wird aber auch der Einbruch der Moderne in das eher mittelalterlich anmutende Unnenbach: Das Moor wird trockengelegt, da es vermeintlich ökonomisch ohne Wert ist. Und die einstige Hausiererin gründet ein Versandhaus für Dessous und Sexspielzeuge.
Die Figuren des Romans sind nachvollziehbar gestaltet, wenn auch zum Teil etwas eindimensional: der Böse ist durch und durch böse ohne jegliche Schattierung.
Einige Rezensenten haben den Titel kritisiert mit dem Hinweis, es gebe einen Unterschied zwischen Aberglaube und Wunder. In der Tat nimmt der Titel die Perspektive derjenigen auf, die an Übersinnliches glauben. Mich irritiert der Titel auch, da es ja auch um Hexenglauben und Hexenverfolgung geht und damit kann ich den Begriff „Wunder“ nicht in Verbindung bringen.
Die stärksten Passagen in dem Roman sind für mich die Kapitel, die aus Sicht des Kriegsversehrten Otto/Josef erzählen. Diese Passagen habe ich als wirklich anrührend empfunden.
Die Thematik des Romans ist im Übrigen hochaktuell, haben wir doch erlebt, wie in der jüngsten Krisenzeit, der Corona-Krise, Verschwörungstheorien massenweise im Internet verbreitet wurden.
Ein sehr bewegendes Buch
Das Moor war schon immer ein mystischer Ort. In einem kleinen Dorf im Moor leben die beiden Frauen Edith und Anni. Im Krieg haben sie zusammen gehalten. Die Männer waren an der Front. Doch nach dem Krieg ändert sich auch die Stimmung im Dorf. Einige Männer kehren wieder, andere sind für immer verschollen. Als Annis Mann fünf Jahre nach Kriegsende zurückkehrt, wird es für ihre Familie nicht einfacher, denn er fühlt sich zu Edith hingezogen. Hat sie ihn vielleicht verhext? Anni findet nun halt im Aberglauben und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Ich fand die Geschichte sehr spannend, denn ich erinnerte mich, wie auch meine Oma davon überzeugt war, dass meine Mutter verhext wurde und dadurch Kinderlähmung bekommen hat. Auch durfte keine Wäsche zwischen den Jahren aufgehängt werden, damit sich keine Geister darin verfangen. Genau um diesen Aberglauben geht es in diesem Roman von Helga Bürster. Und sie erzählt die Geschichte und die Schicksale der Bewohner des Dorfes sehr emotional und anschaulich. Man hat keine Probleme sich in die vergifte Atmosphäre in dieser abgelegen Landschaft einzufühlen. Dass der Glaube an Hexen und Geister sich doch so lange halten konnte, ist wirklich erstaunlich und erschreckend zu gleich. Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt und kann diesen Buch wirklich nur weiterempfehlen.